Ein paar Tage nicht da, und siehe da: Es passiert in vielen Bereichen etwas. Diverse Vorstellungen von Kandidat*innen in den sozialen Medien der unterschiedlichen Teilnehmenden. Die PARTEI, die Grünen, CDU und die Freie Wählergemeinschaft Schlangen setzen regelmäßig auf Facebook und Instagram ihre Kandidat*innen und manchmal gibt es auch inhaltliche Posts. Haltet Euch fest: SOGAR die SPD hat mal was in den Kanälen veröffentlicht. Krass. Es geschehen noch Zeichen und Wunder.
Nur nicht bei der AfD Schlangen. Die gestalten auch in Schlangen ihren Wahlkampf so, wie sie überall Politik versuchen: auf der denkbar schlechtesten Ebene, und sie glänzen mit kollektivem Nichtstun. Wenn sie doch überall einfach ihren Rand halten würden, es wäre besser für alle Beteiligten. Einziger Vorteil des Schweigens hier vor Ort: Das typisch rechte Geheule ist nicht vorhanden. Geht mir schon in Paderborn unfassbar auf die Nerven, und der Himmel bewahre uns davor, dass wir es auch noch auf der Feder der strammen Kandidaten aus unseren Gemeindeteilen lesen müssten.
Zwischendurch hat sich die PARTEI auch im Haustürwahlkampf angekommen gezeigt. In meinem Wahlkreis zumindest sind Flyer und Tür-Info angekommen und spiegeln die Inhalte und Ziele ab, die sie auch im Internet publizieren. Konzentriert, aber ordentlich.
In der Lippischen Landeszeitung war ein Interview mit Dr. Ralf Köster zu lesen. Durchaus ein wenig sympathischer, als bei diversen Auftritten im Netz, aber rund ist das Bild für mich nicht. Leider hinter der Bezahlschranke, aber vielleicht postet er das bei Gelegenheit ja selbst. Ich möchte die Rechte der LZ da nicht verletzen.
Die Freie Wählergemeinschaft hat die Kritik des inhaltlich zu dünnen Programms offenbar gehört. Wenn nicht von mir, dann offenbar noch von anderen. Egal wo: Gut, dass sie reagiert und in einem kurzen Statement die dahingeworfenen Bruchstücke weiter ausgeführt hat. Zu finden auf der Facebook-Seite und dem Instagram-Profil (und erneut die Frage: Warum vergessen die alle die Internetseiten? Die sind für alle zugänglich, die werden in Suchen gefunden und würden in der Tat mehr Menschen informieren.). In der Stellungnahme werden also die Dinge aus dem Programm detaillierter beschrieben, bzw. auch erläutert.
Manchmal fragt man sich ja, was die politischen Programme im Wahlkampf eigentlich sind. Sind sie ein ernsthafter Fahrplan für die Zukunft der Gemeinde? Oder eher eine Art Wunschzettel, auf dem man alles aufschreibt, was gut klingt, ohne sich die Frage nach der Umsetzbarkeit zu stellen?
Nach einer kleinen Ansicht des Programms der Freien Wählergemeinschaft Schlangen für die Kommunalwahl 2025 habe ich das Gefühl, es ist ein wenig von beidem. So wie vorher in der Kurzfassung auch bereits. Es ist eine Mischung aus einer überraschend durchdachten Sache (hui, ein Kompliment) und einer ganzen Reihe von Forderungen, die, sagen wir mal, in der Realität nicht ganz so funktionieren dürften.
Fangen wir mit dem Positiven an. Die Freie Wählergemeinschaft Schlangen will die Gemeindeentwicklung vorantreiben, unter anderem dadurch, dass neue Baugrundstücke für Eigenheime geschaffen werden. Der Clou dabei: Sie wollen mit der landeseigenen Entwicklungsgesellschaft NRW.URBAN zusammenarbeiten. Das ist keine heiße Kartoffel, sondern ein gar nicht schlechter Gedankengang. NRW.URBAN kann Grundstücke im Namen der Kommune erwerben, die Finanzierung über Landesbürgschaften sichern und sich um die gesamte Projektentwicklung kümmern.
Die Gemeinde behält dabei, wie geschrieben, die zentrale Steuerungshoheit und kann von den Überschüssen aus dem Verkauf profitieren. Das ist ein etabliertes, staatlich gefördertes Modell, das realistische Chancen bietet, die finanziellen Löcher im Haushalt zu stopfen. Endlich mal ein Vorschlag, der nicht nur gut klingt, sondern auch Hand und Fuß hat. Bravo, ich bin überrascht.
Jetzt kommen wir zum Wunschzettel. Die Freie Wählergemeinschaft Schlangen beklagt ein geplantes Defizit von 4,35 Millionen Euro im Haushaltsplan 2025 und eine Verdopplung der Verwaltungskosten in den vergangenen Jahren. Die Zahlen passen so weit und decken sich mit Jahresabschluss und Haushaltsplanung. Die Lösung der Freien Wählergemeinschaft Schlangen? Sparmaßnahmen, eine „schlankere Verwaltung“. Das sind klassische Forderungen, die beim Wähler gut ankommen und schnell aus der Hüfte geschossen werden. Aber sind sie auch umsetzbar? Und was heißt das genau?
Berichte zur kommunalen Finanzkrise in Deutschland legen nahe, dass steigende Ausgaben ein bundesweites Phänomen sind. Sie werden angetrieben durch Inflation, steigende Sozialausgaben und Tarifverhandlungen, die auf Bundesebene geführt werden. Die Kommunen haben hier (zumindest in diesem Punkt) kaum Spielraum, um Kosten zu senken.
Natürlich kommt es darauf an, was in Schlangen zusätzlich dazu passiert. Also in Sachen anderer Ausgaben. Oder bei der Verwaltung an sich. Wie sonst kann man denn nun „verschlanken“? Personalabbau? Einstellungsstopp? Ja, klingt auch erst mal nachvollziehbar, ist aber auch eine riskante Strategie. Angesichts einer bevorstehenden Pensionswelle in der öffentlichen Verwaltung, bei der in einigen Gemeinden fast die Hälfte der Mitarbeiter in Rente geht, könnte ein Einstellungsstopp oder ein Stellenrückbau die Erfüllung gesetzlich vorgeschriebener Pflichtaufgaben auch in Schlangen erheblich gefährden oder verzögern.
Und ja, in manchen Bereichen bedeutet weniger Personal paradoxerweise nicht weniger Vorschriften, sondern oft längere Wartezeiten für die Bürger*innen. Vielleicht wäre das ja sogar zu verkraften?
Hier wäre ich wirklich daran interessiert, was hier genau der Vorschlag ist. Was heißt der so allgemeine Vorschlag „Kosten senken“ denn nun genau? Wie viel können wir wo und wodurch einsparen? Zwei Leute im Bauamt entlassen? Kundenservice einstellen? Welche Stellen sind „über“? Oder wollen wir Straßen unsaniert lassen? Sparen wir uns Repräsentationskosten für die Gemeinde? Sollen wir die Mitarbeitenden weniger weiterbilden? Haben wir zu viele Fahrzeuge im Fuhrpark? Sind die arbeitenden Menschen nicht schnell genug? Wo genau kann Geld eingespart werden? Meinetwegen auch mit den Unzulänglichkeiten, an die wir uns dann als Bürger*innen gewöhnen müssen. Aber wo ist der konkrete Vorschlag, wie das gehen soll/wird? „Sparen“-schreien ist mir zu einfach.
Das ist für mich bei den Forderungen nach Abbau von Bürokratie ähnlich. Was denn genau und was können wir davon auf kommunaler Ebene denn wirklich tun? Wo können wir Bürokratie abbauen? Wir können in der Gemeinde Schlangen viele gesetzesgebundene Dinge nicht vereinfachen, den Antrag für Reisepässe nicht digitalisieren, oder die Einkommensteuererklärung auf dem Bierdeckel durchwinken. Das liegt nicht in kommunaler Hand. Wo genau ist eine Forderung also anzusetzen? Was sind die Prozesse, die wir auf kommunaler Ebene mehr oder weniger frei entscheiden und verändern können, die den Ruf „Bürokratieabbau“ nicht so typisch nach Wahlkampfgeplärre klingen lassen, so wie „Vereinfachung von Gesetzen“ oder „Reduzierung von Berichtspflichten“?
Ein weiterer Punkt, der aufhorchen lässt, ist die Forderung, die Grundsteuerreform abzulehnen. Auch das ist ein politischer Appell, der bei vielen gut ankommen dürfte und einfach nett klingt. Tatsache ist: Die Grundsteuerreform ist ein Bundesgesetz. Eine Kommune hat nicht die rechtliche Befugnis, die Umsetzung eines Bundesgesetzes zu verweigern. Die einzige Kontrolle, die eine Gemeinde hat, ist die Festlegung der Hebesätze, also der Steuersätze, die für die Berechnung der Grundsteuer herangezogen werden. Es handelt sich um eine Entscheidung, die von dem Gemeinderat der jeweiligen Kommune getroffen wird.
Letztlich sind die Hebesätze ein Problem und hier wiederum kann ich das nachvollziehen und in die politische Linie einordnen. Wording ist hier politisch aufgeladen und irgendwas mit “Steuern” und „ablehnen“ triggert immer gut.
Zusammenfassend lässt sich für mich sagen: Das Programm der Freien Wählergemeinschaft Schlangen ist ein mehr oder weniger, typischer Wahlkampf-Mix. Es zeigt eine strategisch, durchdachte Sache in einem Bereich (Wohnungsbau), in dem es auf bestehende, funktionierende Landesprogramme setzt. In anderen Bereichen verlässt es sich jedoch auf vereinfachte, allgemeine und oft sachlich veraltete oder rechtlich unrealistische oder gar leere Forderungen.
Es ist eine Agenda, die die populären Stimmungen der Bevölkerung aufgreift, aber oft die komplexen Realitäten der kommunalen Selbstverwaltung ignoriert.
Ja. Alles gut. Wahlkampf ist Stimmenfang.
Ich hätte dann lieber mehr konkret Umsetzbares und Handlungen, statt Worthülsen.
