In einem Artikel über das Glücklich sein las ich letztens diesen Tipp … „Fake it till you make it“ und seitdem geht mir das nicht wirklich aus dem Kopf.

Frei übersetzt: „Täusche es so lange vor, bis es so ist“.

Etwas, was viele, viele Menschen genau so leben. Es geht ihnen dreckig, aber sie zeigen es nicht. Sie sind nicht glücklich, sagen aber etwas anderes. Auf die Frage „Wie geht´s?“ erfolgt die Antwort „Gut“, auch wenn es nicht so ist. Zeigen und vermitteln einen Eindruck, der nicht real ist.

Ich bin nicht glücklich und ich kann das auch anders nicht zeigen. Ja, es gibt gute Tage, gute Gelegenheiten, gute Dinge die passieren. Ich habe einen tollen Job, gesunde und toll geratene Kinder und ein (von aussen betrachtet) ordentliches Leben. Aber ich? Geht´s mir gut? Bin ich glücklich?

Nein. Nein, bin ich nicht. Ich funktioniere … und das in der Regel nicht mal sonderlich gut.

In meinem Leben ist vieles richtig gut gelaufen. Richtig, richtig gut. Und ebenso vieles richtig, richtig falsch und schlecht. Ja, hör auf zu jammern. Nein, mache ich nicht. Es geht nicht um jammern. Es geht (für mich) um das, wie es wirklich ist. Es geht darum, dass ich sagen möchte, dass nicht alles gut ist und da draußen und bei mir vieles falsch läuft.

Ja, bei mir auch. Ich habe meine Baustellen, meine Fehler, meine Ecken. Ich trage die Verantwortung für viele Dinge, die in den vergangenen Jahrzehnten falsch gelaufen sind und ich weiß nicht nur darum, sondern nehme diese auch aktiv an. Mittlerweile noch viel mehr als früher. Eine Frage des Alters? Nein, eine Frage der Erfahrungen.

Ich habe einiges an Mist gebaut, hier und da falsche Entscheidungen getroffen, falsch reagiert. Aus den Konsequenzen habe ich viel gelernt und lerne weiter. Arbeite sehr aktiv an diesen Dingen und bin viele, viele Meilen voran gekommen. Entscheidungen, die daraus resultieren sind ebenso vielfältig. Ich vertraue nicht mehr, habe Angst mich in bestimmte Situationen zu begeben, lasse Nähe nur sehr bedingt zu, meide Kontakte, sperre Menschen aus und hänge Dingen aus der Vergangenheit nach.

Ich hatte und habe viel Gutes in meinem Leben. Glück in vielerlei Hinsicht. Das Glück, dass ich mich immer wieder und weiter entwicklen konnte, oft die Gelegenheit hatte genau das zu tun, was mich vorwärts gebracht hat. Das große Glück, gleich mehrfach Menschen zu treffen, mit denen ich mir mein Leben bis ans Ende vorstellen und durchdenken konnte. Das dies letztlich nie geklappt hat, waren Fragen des Schicksals, der gemachten Fehler (meiner und anderer), das Festhalten an Werten (und die Missachtung solcher), die Kraft äußerer Einflüsse (haltet Euch doch einfach mal raus), die mangelnde Kraft einzelner Menschen (meiner und anderer), Sturheit und mangelnde Weitsicht, Zuneigung und Bereitschaft für eine Sache einzustehen.

Es ist müßig darüber stunden-, wochen-, monate- oder jahrelang zu sinnieren, ich weiß, aber ich bin so und das hindert mich am glücklich sein. Ich könnte meine Situation, die verpassten Chancen und Gelegenheiten auch einfach annehmen (und wenn ich wüsste, wie das geht, würde ich das lieber gestern als heute tun). Bekomme ich nicht hin. Muss ich auch nicht immer, lerne damit umzugehen und letztlich ändere ich mein Verhalten entsprechend. Das hat weitere Konsequenzen. Das Umfeld verändert sich und ich mich auch. Ebenso die Umstände und Umgebungsparameter. Für Entschuldigungen und Wiedergutmachung ist es zu spät und keine Seite wird, selbst bei eventuell vorhandenem Wunsch danach oder der Bereitschaft dazu, den notwendigen Schritt gehen.

Was ich allerdings nie gemacht habe, ist mich zu verstellen und etwas vorzugaukeln. „Fake it till you make it „ – mich selbst und andere zu belügen um etwas anderes zu suggerieren? Mir selbst einzureden oder es anderen zu zeigen, dass ich glücklich bin, bis es (vielleicht) irgendwann wieder so ist? Nein.

Natürlich gibt es gut Tage und gute Dinge. Natürlich gibt es viele Situationen in denen ich nicht über die Vergangenheit oder Menschen der Vergangenheit nachdenke. Diese Momentaufnahmen sind gut. Ich schaffe mir neue Erinnerungen, blende alte aus. Traue mich zu vergessen, zu verdrängen und zeige auch die schönen Momente. Ich traue mich aber auch, mich mit dem zu beschäftigen, was mich nicht glücklich macht, nicht glücklich gemacht hat, stelle es wieder und wieder auf den Prüfstein und zeige auch dies. Rede, schreibe und lese darüber und wünsche mir an vielen Stellen, dass vieles anders gelaufen wäre und nehme mir vor, arbeite daran, diese Dinge in kommenden Situationen anders zu machen. Wenn ich diese überhaupt noch mal zu lassen würde.

„Fake it till you make it „ – für mich kein guter Weg. Ich mag nicht vorgaukeln und ich mag es nicht, wenn man mir etwas vorgaukelt.

Wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, will ich auch weiterhin sagen können „Scheisse“ … aber mit der Antwort können viele nicht umgehen… ein Grund, warum so viele Menschen „faken“. Aus welchen tieferen Gründen auch immer.

Schade. Die Welt könnte mehr Ehrlichkeit gebrauchen. Auf der Seite der Fragenden und auf der Seite der Antwortenden.

Passt auf Euch auf

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3 Comments

  1. Lieber Thorsten,
    ich finde es gut ehrlich zu sein und auf die Frage „Wie geht es dir?“ auch ehrlich antworten zu dürfen.
    Liebe Grüße!

  2. Alexandra

    „Das Glück hängt von den guten Gedanken ab, die man hat.“
    (Mark Aurel)

    Ich glaube der Spruch „Fake it till you make it“ will uns einfach nur sagen, dass man das anzieht, was man ausstrahlt. Es geht nicht um Unehrlichkeit. Glücklich sein, kann man tatsächlich lernen! Häufig haben sich aber viele versteckte Gedankenmuster manifestiert, was es nicht so einfach macht positiv zu denken.

    Es bedeutet viel Arbeit an sich selber: Gedanken kontrollieren (besonders die negativen!), Menschen verzeihen (dann klappt das irgendwann auch mit dem Loslassen!), an der eigenen Selbstliebe arbeiten (ganz wichtig!), Dinge aus der Vergangenheit aufarbeiten (anstatt sie zu verdrängen), gutes tun und sich jeden Tag bewusst die positiven Dinge vor Augen halten, die man im Leben hat: die eigene Gesundheit, gesunde Kinder, Freunde, ein toller Job etc. Und irgendwann merkt man plötzlich, dass sich die eigene Einstellung tatsächlich ändert! Viel Glück! 🙂

    • Thorsten

      Ich arbeite dran 😉 Danke Dir!

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